BIOACID II – Konsortium 5: Dienstleistungen des Ozeans

Leitung: Katrin Rehdanz (Kiel Institute for the World Economy and CAU, Kiel)
Martin Quaas (CAU, Kiel)

Die Ozeanversauerung (Ocean Acidification, OA) ist in letzter Zeit in politischen Kreisen zunehmend zur Kenntnis genommen worden aufgrund einer zunehmenden Zahl von Studien über biologische und ökologische Auswirkungen der Ozeanversauerung (z.B. Turley et al., 2010). Allerdings sind Schätzungen der sozioökonomischen Auswirkungen noch immer kaum vorhanden (Brander et al., 2009; Cooley und Doney, 2009; Cooley et al., 2011; Narita et al., 2011), obwohl diese Auswirkungen wichtige Informationen für die Formulierung internationaler Politikstrategien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie für Klima-Engineering und Anpassungsstrategien darstellen. Daher hat die Forschung zu sozioökonomischen Auswirkungen der Ozeanversauerung eine starke politische Relevanz.

Die Ozeane liefern Waren und Dienstleistungen, die direkt und indirekt durch menschliche Gemeinschaften und Volkswirtschaften genutzt werden. Dazu zählen Ernährung und Gesundheit, Energie, Bodenschätze und Systemdienste. Dienstleistungen des Ozeans umfassen Dienstleistungen des Ökosystems (z.B. Fische und Meeresfrüchte, Artenvielfalt, Tourismus) sowie die Rolle des Ozeans im Klimasystem. Abb. 5.1 bietet einen Überblick über die Kategorien der Ökosystem-Dienstleistungen einschließlich derjenigen des Ozeans.

Zu den wirtschaftlich bedeutendsten Dienstleistungen des Ozeans zählen CO2-Speicherung (Klimaregulierung) und Fischerei (Nahrungsbeschaffung). Im Jahr 2008 stieg der ozeanische Kohlenstoffgehalt um 2.3 ± 0.4 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, das entspricht 8.4 Gt CO2 (Le Quéré et al., 2009). Beim derzeitigen Preis von ca. 10 Euro für eine Tonne CO2-Emissionen im Emissionshandelsschema der EU, einer sehr konservativen Schätzung der gesellschaftlichen Kosten der CO2-Emissionen, würde ein 1%iger Rückgang oder Anstieg dieser Dienstleistung des Ozeans Kosten bzw. einen Wert in Höhe von 0.84 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Die weltweite Seefischerei bringt etwa 80 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr an Land und erwirtschaftet damit einen Umsatz von rund 65 Milliarden Euro pro Jahr, hat jedoch ebenfalls große Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme (World Ocean Review, 2010).

Die Versauerung der Meere steht in Wechselwirkung mit diesen wirtschaftlich bedeutenden Ressourcen und Dienstleistungen des Ozeans (Abb. 5.2). Am unmittelbarsten ist die Ozeanversauerung eine Folge der Nutzung der Meere als Senke für anthropogenes CO2. Allerdings wird die Menge des in den Ozeanen gespeicherten CO2 auch durch Änderungen des Meeres beeinflusst, einschließlich der Prozesse der Versauerung und Erwärmung, da die Biogeochemie des Ozeans von diesen Prozessen betroffen ist. Diese Wirkungen müssen im globalen Maßstab quantifiziert und die damit verbundenen Unsicherheiten beurteilt werden. Dies wird auch durch die wachsende Zahl von interdisziplinären Tagungen und Workshops zum Thema bestätigt (z.B. The Monaco Environment and Economics Dialogue).

Ozeanversauerung wirkt sich auf andere wertvolle Ozean-Dienstleistungen einschließlich Fischerei und diverse Dienstleistungen, die von Korallenriffen zur Verfügung gestellt werden, aus. Die Auswirkungen auf Menschen hängen von der Verletzlichkeit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit bestimmter Gemeinschaften oder Individuen ab. Die Auswirkungen auf die Fischerei und andere gesellschaftlich wertvolle System-Dienste und die Widerstandsfähigkeit des sozial-ökologischen System benötigen eine Quantifizierung auf lokaler Ebene, da sie vom spezifischen Kontext abhängen, wie verletzlich die Menschen den Umweltveränderungen im Meer gegenüber sind und wie die Menschen in der Lage sind, sich solchen Veränderungen anzupassen. Diese Effekte müssen auch auf globaler Ebene quantifiziert werden, um die Gesamtwirkung und die Verteilungswirkungen der Ozeanversauerung zu beurteilen.

Die Art und Weise, wie Fischbestände verwaltet werden, beeinflusst den marinen Kohlenstoff- Kreislauf (Wilson et al., 2009) mit möglichen Auswirkungen auf die ozeanische CO2-Aufnahme und somit auch die Ozeanversauerung. Es gibt also einen möglichen Trade-off zwischen den Versorgungsdienstleistungen des Ozeans (Fischereiausbeute) und den Regulierungsdienstleistungen des Ozeans in Bezug auf die Aufnahme von anthropogenen CO2. Eine enge Verzahnung von biogeochemischer und ökologischer Modellierung mit einer sozio-ökonomischen Analyse ist erforderlich, um dieses Trade-off-Potenzial in quantitativer Weise aufzuklären.

Um sicherzustellen, dass wissenschaftliche Ergebnisse am effektivsten bei Anpassung und politischen Entscheidungen angewandt werden, müssen Ergebnisse der biogeochemischen Modelle und sozioökonomischen Analysen mit den betroffenen Akteuren geteilt werden, vorzugsweise bereits in einem frühen Stadium. Neben der Bewertung von Veränderungen in Ökosystem-Dienstleistungen in objektiv abgeleiteten monetären Größen ist es ratsam, die Interessengruppen ihre vermeintlichen möglichen Schäden selbst schätzen und bewerten zu lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Beteiligten dann viel eher bereit sind, sich des Problems der Ozeanversauerung anzunehmen, was wiederum die Motivation zur Teilnahme an Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen erhöht.

Allgemeine Zielsetzung

Das allgemeine Ziel des Konsortiums 5 ist die Bewertung und Quantifizierung, wie Ozeanversauerung mit der Bereitstellung und Nutzung von Ozean-Dienstleistungen interagiert, vor allem mit den Leistungen der ozeanischen CO2-Speicherung und Fischerei, um die wissenschaftlichen Unsicherheiten zu reduzieren und die Beteiligten über mögliche Auswirkungen zu informieren und sie in Diskussionen über Möglichkeiten zur Anpassung zu engagieren.

Für CO2-Speicherung existieren bereits mehrere Studien, die die Effekte in physischer Hinsicht durch globale biogeochemische Ozean-Modelle quantifizieren. Unser Hauptinteresse ist die Bewertung und Verringerung der damit verbundenen Unsicherheiten. Arbeitspaket 5.1 konzentriert sich vorrangig auf die Unsicherheit der Modellvorhersagen und zielt auf die Verbesserung der Leistungen durch eine datenbasierte Modellbeurteilung. Arbeitspaket 5.2 wird die Auswirkungen der Umwelt-Variabilität auf die ozeanische Kohlenstoffsenke in einem globalen biogeochemischen Ozean-Modell bewerten.

Die Auswirkungen der möglichen Folgen der Ozeanversauerung auf das Phytoplankton C:N- Verhältnis und damit auf die Nahrungsmittelqualität und Nahrungsnetz-Dynamik werden im Arbeitspaket 5.3 untersucht, und ebenfalls die möglichen Auswirkungen von Veränderungen im Fischereidruck auf die Sterblichkeit von Zooplankton sowie auf die ozeanische biologische Kohlenstoff-Pumpe.

Die Wirkung von Ozeanversauerung auf die Fischerei und andere Dienstleistungen ist viel weniger klar. Ozeanversauerung und Erwärmung (OAW) haben wahrscheinlich eine Auswirkung auf die Bestandsdynamik von kommerziell wichtigen Fischen, da sie wahrscheinlich den Verstärkungs- Erfolg, das Wachstum, die Größe und Ausdehnung geeigneter Lebensräume verändern (Beaugrand, 2009). OAW wird somit Auswirkungen auf das Fangpotential in der Fischerei über Auswirkungen auf die Ökophysiologie und Planktondynamik haben (Cheung et al., 2011). Diese Auswirkungen auf die Fischbestände und deren Reproduktion müssen noch in physischer Hinsicht quantifiziert werden. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der OAW in der Fischerei zu beurteilen, müssen diese Effekte in ökologisch-ökonomische Modelle integriert werden und die wirtschaftlichen Auswirkungen müssen in Hinblick auf die Änderung der Fangmöglichkeiten beurteilt werden. Die vorhandenen ökonomischen Studien weisen auf einen kleineren Einfluss der Ozeanversauerung auf den globalen Wohlstand hin im Vergleich zu den Auswirkungen des Klimawandels (Brander et al., 2009; Narita et al., 2011). Auf regionaler oder lokaler Ebene bestehen erhebliche Unterschiede, jedoch ist wenig detailliertes Wissen vorhanden. Arbeitspaket 5.4 wird sich auf zwei verschiedene Umgebungen unter Berücksichtigung der standortspezifischen Merkmale und verschiedenen Ebenen der wirtschaftlichen Entwicklung konzentrieren. Darüber hinaus, während die Aggregateffekte auf globaler Ebene zwar klein sind, kann es immer noch erhebliche lokale Änderungen im Fischereieinkommen geben (z.B. aufgrund von OAW-induzierter Migration der Fischbestände) und die Effekte können sehr stark vom Management- Regime abhängen. Arbeitspaket 5.5 wird diese Fragen und die Quantifizierung der Aggregat- und Verteilungswirkungen von OAW auf die kommerziell wichtige Kabeljaufischerei untersuchen.

Unterschiede bestehen zwischen den Regionen und Ländern in Bezug auf Anfälligkeit und Anpassungsfähigkeit. Ein Indikator ist die geographische Lage, da es starke regionale Unterschiede bei der ozeanischen Pufferkapazität und Empfindlichkeit gegenüber Versauerung gibt. Wohlstand ist ein weiterer wichtiger Faktor. Die Anpassungsfähigkeit eines relativ reichen Landes in den Tropen kann höher sein und somit die Auswirkungen geringer verglichen mit einem weniger entwickelten Land in den gemäßigten Klimazonen. Für ein Entwicklungsland in den Tropen sind andere Themen wie Bevölkerungswachstum, öffentliche Gesundheit und Bildung vermutlich relevanter. Sollte die Ozeanversauerung die Sicherung der Ernährung beeinflussen, wäre dies ein weiterer Grund zur Besorgnis.

Noch weniger ist über eine mögliche Rückkopplung der Fischerei auf die Ozeanversauerung bekannt, obwohl man weiß, dass Fischerei einen starken Einfluss auf die marinen Ökosysteme ausüben kann und einige Auswirkungen auf den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf bereits zuvor quantifiziert worden sind (Wilson et al., 2009). Ein Feedback auf Ozeanversauerung kann vorliegen, wenn trophische Kaskaden von Fischen, die Jagd auf Zooplankton und Phytoplankton machen, die biologische Produktion und die ozeanische biologische Kohlenstoff-Pumpe in erheblichen Umfang beeinträchtigen. Die Arbeitspakete 5.3 und 5.5 werden bei der Untersuchung dieser Feedback-Effekte und Quantifizierung auf globaler Ebene zusammenarbeiten.

Auswirkungen auf Ökosystem-Dienstleistungen sind regional spezifisch und etwaige Bewertungsmethoden sind von lokalen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten abhängig. Außerdem können Auswirkungen nur mit erheblichen Unsicherheiten quantifiziert werden, was den Prozess der Anpassung und Politikformulierung noch weiter erschwert. Allerdings müssen Anpassungsstrategien von Wissen und Kenntnis getrieben sein und brauchen eine breite Unterstützung unter den Beteiligten. Arbeitspaket 5.6 wird sich diesem Problem mit einem regionalen Fokus auf die Lebensräume von zwei interagierenden Arten von Kabeljau im Nordatlantik nähern.


Forschungsansätze

Der hier genutzte Forschungsschwerpunkt besteht aus numerischer Modellierung, insbesondere unter Verwendung von globalen biogeochemischen Modellen und ökologisch-ökonomischen Modellen für die Fischerei.

Im Arbeitspaket (AP) 5.1 wird eine datenbasierte Modellevaluierung angewandt, um die zur Vorhersage der ozeanischen CO2-Speicherung genutzten globalen biogeochemischen Modelle zu bewerten und zu kalibrieren.

In AP 5.2 werden die Auswirkungen von Umwelt-Unsicherheiten auf die Speicherung von Kohlenstoff und Versauerung anhand eines globalen biogeochemischen Ozean-Modells untersucht.

In AP 5.3 werden die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf biologische Prozesse und das feedback von unterschiedlichen Fischbestandshäufigkeiten auf Ozeanversauerung mittels des UVic Erdsystem- Modells studiert.

In AP 5.4 werden die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Weichtier-Fischerei entlang der deutsch/dänischen Küste und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen in numerischen Modellen untersucht werden.

In AP 5.5 wird ein ökologisch-ökonomisches Modell der verschiedenen Arten der Kabeljau-Fischerei, das den Effekt von Ozeanversauerung auf Verstärkung und Wachstum der Fische enthält, verwendet, um die Effizienz und die Auswirkungen auf die Verteilung von Ozeanversauerung unter verschiedenen Management-Regimes zu untersuchen. Die Rückkopplung zwischen Fischerei und Ozeanversauerung wird mit einem ähnlichen Modell im globalen Maßstab, das mit dem Erdsystem- Modell von AP 5.3 gekoppelt ist, untersucht.

In AP 5.6 erfolgt die Einbeziehung der beteiligten Parteien durch Aggregation der Ergebnisse aus Arbeitspaketen in Konsortium 4 und 5 in einem verständlichen Rahmen für Präsentation und Diskussion mit den Beteiligten in zwei Workshops (am besten anlässlich der jährlichen Sitzungen im Zusammenhang mit BIOACID). Im Rahmen des Modells werden die Interessengruppen aufgefordert, verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen potenziellen Auswirkungen auf Ökosystem- Dienstleistungen zu erkunden. Darüber hinaus verwenden wir empirische Methoden, um die wirtschaftliche Bedeutung von Auswirkungen der Ozeanversauerung zu bewerten.

In AP 5.4 nutzen wir einen Umfrageansatz mit Choice-Experimenten, um mögliche negative Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Korallenriffe und die zugehörigen Dienstleistungen in Papua-Neuguinea zu bewerten.
Das Arbeitspaket 5.6 beschäftigt sich zusätzlich mit einem Beteiligungsansatz der Betroffenen und Maßnahmen zur Bewertung der Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Dienstleistungen des Ozeans und zur Herleitung von Optionen für ein widerstandsfähiges Management.

 

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