Wie geht’s weiter, Emiliania huxleyi?

Fallbeispiel

Die einzellige planktonische Alge Emiliania huxleyi produziert einen erheblichen Teil der Biomasse und des Kalzium­karbonats im Ozean, unterstützt die Aufnahme von Kohlendioxid an der Oberfläche und setzt das klimakühlende Gas Dimethylsulfid (DMS) frei. Es ist fast unmöglich, sich den marinen Stoffkreislauf ohne den winzigen Allrounder vorzustellen. Doch genau dies erwarten Forschende aufgrund der Ergebnisse ihrer Labor- und Feldexperimente. Ein Rückgang des allgegenwärtigen und produktivsten kalkbildenden Orga­nismus im Ozean hätte massive Auswirkungen auf das Klimasystem.

In kontrollierten Laborexperimenten, in denen die Alge als isolierte Art Ozeanversauerung ausgesetzt war, sanken ihre Wachstums- und Kalkbildungsraten nur geringfügig. Bis zu einem gewissen Grad konnte sie sogar den Negativfolgen der Ozeanversauerung durch evolutionäre Anpassung entgegenwirken.

Aber in einer Feldstudie mit den KOSMOS-Mesokosmen, welche die Reaktionen von Emiliania huxleyi auf Ozean­versauerung in ihrem natürlichen Lebensraum untersuchte, konnte der Organismus seine Populationsgröße nicht halten. Er konnte auch keine Blüten mehr bilden, wie er sie normalerweise rund um den Globus entwickelt.

Emilianias Niedergang begann bereits vor der Blütephase: Die Ozeanversauerung reduzierte das Zellwachstum in ähnlicher Weise wie es zuvor im Labor beobachtet worden war. Dies führte dazu, dass die Population kontinuierlich schrumpfte. Als es für Emiliania an der Zeit war, eine Blüte zu bilden, waren nur noch so wenige Zellen vorhanden, dass sie ihre Konkurrenten nicht mehr übertrumpfen konnte.

Einzellige kalkbildende Phytoplankton-Arten wie Emiliania huxleyi werden auch Coccolithophoriden genannt, angelehnt an die Bezeichnung für die Kalkplättchen, mit denen sie ihre Zellen umgeben: die Coccolithen. Viele verschiedene Formen von Coccolithophoriden leben seit 200 Millionen Jahren im Weltozean. Doch jetzt scheint ihre Existenz davon abzu­hängen, wie viel Energie sie für die Kalkbildung im saureren Wasser aufbringen müssen und welchen Nutzen diese hat.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass die Coccolithen dem Schutz vor Feinden dienen. Aber vor der Bedrohung durch den Klimawandel können die Kalkplättchen die mikroskopisch kleinen Algen nicht schützen. Im Gegenteil: Diese Rüstung aufzubauen, könnte sie zu viel Kraft kosten, um den Wandel zu überdauern und ihre wichtige Funktion für unser globales Klima weiter zu erfüllen.

Mehr über BIOACID-Forschung zu Emiliania huxleyi in diesem Video-Porträt von Dr. Lennart Bach.


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